Weniger Bürokratie, eine schnellere und digitalere Verwaltung, mehr Transparenz und Effizienz, bessere Krisenbewältigung – wer will das nicht? Der Staat soll sich umfassend verändern. Doch den Forderungen folgen zu wenig Taten; Reformen bleiben stecken – warum? Wir glauben: Druck von oben und außen bewirkt zu wenig – der Schlüssel zu einer besseren Verwaltung liegt IN der Verwaltung, bei den Mitarbeitenden: Bewährtes Verwaltungswissen muss schnell und gezielt durch Digitalisierungs- und Veränderungskompetenz ergänzt werden. Lesen Sie deshalb hier unsere
5 Forderungen für eine moderne Verwaltung, die mehr Digitalisierungs- und Veränderungskompetenz braucht
Die alte Arbeitsteilung zwischen Politik, Verwaltung und Gesellschaft funktioniert nicht mehr: Früher setzte die Politik Ziele und goss sie in Gesetze, die von der Verwaltung verlässlich umgesetzt wurden. Die Gesellschaft spottete zwar bisweilen über die Behäbigkeit der Bürokratie, vertraute ihr aber in hohem Maße – waren Verlässlichkeit und Beständigkeit doch wichtige Werte in Zeiten langsamer Veränderungen.
Die hohe Schlagzahl an Krisen, der täglich größer werdende Digitalisierungsdruck und die Überalterung der Verwaltung haben die Grenzen dieses Modells aufgezeigt: Die Politik läuft den Fakten hinterher, es fehlen Pläne, Daten und Analysen. Die Verwaltung kann vor lauter Herausforderungen ihre Stärken nicht mehr ausspielen – Verlässlichkeit ist kein Wert, wenn das Vorgehen nicht mehr zu den sich schnell verändernden Herausforderungen passt. Die Gesellschaft reagiert mit Ungeduld und Fassungslosigkeit darüber, dass Anpassungen so lange dauern. In jüngster Zeit werden die populistischen Stimmen immer lauter, die die Verwaltung schleifen statt reformieren wollen. Damit würde auch der Rechtsstaat verschwinden, was es unbedingt zu verhindern gilt.
Man kann sich politisch streiten, was jeweils im Einzelfall die beste Lösung ist. Aber unabhängig von der politischen Richtung werden wir uns auf eines einigen können: Jede Veränderung an der Verwaltung wird kompetente, modern ausgebildete Menschen brauchen, die sie umsetzen: Planer:innen und Strateg:innen, die Daten analysieren und Handlungsszenarien ableiten können. Projektleiter:innen, die schnell digitale Lösungen oder KI zu implementieren vermögen. Prozessdesigner:innen, die Behörden helfen, schnell mit höheren Fallzahlen zurechtzukommen. Kommunikations-Expert:innen, die Verwaltungshandeln verständlich und auf zeitgemäßem Weg nach außen vermitteln. Trainer:innen und Coaches, die Führungskräfte unterstützen, mit neuen Herausforderungen umzugehen.
Ohne solche Menschen mit Umsetzungs- und Veränderungskompetenz wird keine Lösung gelingen! Doch diese Fähigkeiten gibt es heute in der Verwaltung nicht genug: Wir haben die Stellen dafür nicht eingeplant, die Menschen dafür nicht eingestellt oder ausgebildet, die Führungskräfte dafür nicht ausgesucht oder trainiert. Kurz: Es fehlt überall an Digitalisierungs- und Veränderungskompetenz.
Diese Umsetzungs- und Veränderungsexpert:innen werden in der Verwaltung nur ausgebildet oder von außen gewonnen werden können, wenn die gesamte Personalentwicklung der Verwaltung modernisiert wird: Ausbildung von Nachwuchskräften, Weiterbildung der vorhandenen Arbeitskräfte, Einstellungs- und Beförderungspolitik, dienstrechtliche Anreizmechanismen, geeignete Projektstrukturen.
Es ist ja nicht nur die deutsche Verwaltung, die dem hohen Veränderungsdruck ausgesetzt ist – im Ausland, in der Wirtschaft und in anderen Bereichen unserer Gesellschaft gibt es erfolgreiche Modelle, von denen die Verwaltung lernen könnte und sollte. Wir brauchen einen viel stärkeren Wissens- und Personalaustausch zwischen Wirtschaft, Gesellschaft, Verwaltung und Politik.
Was muss also konkret passieren, um mehr Digitalisierungs- und Veränderungskompetenz für eine moderne Verwaltung zu schaffen?
Forderung 1: Mehr Investitionen in Aus- und Fortbildung
Um dem Mangel an Digitalisierungs- und Veränderungskompetenz zu begegnen, ist massiv in den Kompetenzaufbau bei den vorhandenen Beschäftigten zu investieren – auch wenn dies erst mittel- bis langfristig wirkt. KI & Data Science, Data Analytics, Prozess- und Projektmanagement, Digitalisierung und Automatisierung, Krisen- und Risikomanagement, Compliance, Kommunikation, Personalmanagement, … das sind die Bereiche, in denen die Verwaltung mehr Kompetenzen aufbauen muss. Hierfür sind geeignete Strukturen zu schaffen und neue Profile zu rekrutieren, um den rund 5 Mio. Beschäftigten im öffentlichen Sektor angemessene Perspektiven zu bieten. Ein nationaler Tag der Weiterbildung für alle im öffentlichen Dienst – z.B. am 30. April; vor dem „Tag der Arbeit“ kommt der „Tag des Lernens“? – schafft die Aufmerksamkeit, die dieses Thema verdient.
Um die Silo-Bildung schon in den frühen Karrierephasen zu überwinden – der öffentliche Nachwuchs lernt an Verwaltungshochschulen, die anderen an den allgemeinen Hochschulen und Universitäten – sollten 30 Professuren für Public Management an allgemeinen Fachhochschulen und Universitäten neu geschaffen werden, die als Brücke zwischen öffentlichem und privatem Sektor fungieren können. In möglichst allen Studiengängen sollte so ein Bezug zum Staat sowie zur Attraktivität der dortigen Arbeitsplätze hergestellt werden.
Forderung 2: Mehr Querwechsler:innen für die Verwaltung
In den nächsten Jahren geht ein großer Teil der Beschäftigten im öffentlichen Dienst in den Ruhestand. Diese Pensionierungswelle betrifft überproportional die Ebene der mittleren und oberen Führungskräfte, d.h. derjenigen, die die Veränderungen maßgeblich vorantreiben müssen.
Das verlangt eine grundlegend andere Rekrutierungs- und Beförderungspolitik. Um eine schnelle Wirkung durch einen breiteren Erfahrungsschatz über den fachlichen Tellerrand hinaus zu erreichen, sollten bis zu 30% der Nachbesetzungen relevanter Führungspositionen von außen, d.h. mit Querwechsler:innen aus der Privatwirtschaft erfolgen, die das notwendige Instrumentarium für Veränderung und Digitalisierung aus erfolgreichen Umsetzungen direkt mitbringen.
Damit gelingt Veränderung ohne Zeitverzug und es werden Kosten für externe Beratungen gespart. Um das zu ermöglichen, braucht es attraktive Rahmenbedingungen für den Querwechsel, statt vieler Formalien.
Forderung 3: Mehr Kapazität für die Zukunftsthemen
Trotz hoher Verschuldung gab es in den meisten Behörden in den letzten Jahren einen kontinuierlichen Stellenaufwuchs, ohne dass sich die eingangs beschriebene Situation der Verwaltung verbessert hätte. Viele Stellen bleiben unbesetzt, weil Anforderungen und Rahmenbedingungen nicht zusammenpassen. Budgets und Stellen müssen darum für neue Organisations- und Personalmodelle erschlossen werden: es braucht Zentren für Daten-Analysen, Planungsstäbe und Kompetenzzentren, aus denen Projektleiter:innen, Prozessgestalter:innen, Kommunikationsexpert:innen, Dateningenieur:innen und Personalentwickler:innen auf Zeit und flexibel in verwaltungsinterne Projekte entsandt werden und die den föderalen Parallelbau von Zukunftslösungen mit robustem Mandat als vernetzte Institutionen radikal eindämmen.
Damit nutzt die Verwaltung, die hohe Bereitschaft von erfahrenen Fach- und Führungskräften aus der Privatwirtschaft, für begrenzte Zeit „der guten Sache“ zu dienen!
Forderung 4: Charta „Offene Türen in der Verwaltung“ für eine moderne Personalentwicklung
Es braucht lokale Bekenntnisse von Behörden, neue Wege zu gehen und eine Willkommenskultur für das Querwechseln zu schaffen. Deswegen eine Charta, die die wichtigsten Maßnahmen zusammenfasst, mit denen eine Behörde ihre Türen für Fach- und Führungskräfte von außen öffnet und ihren Beschäftigten eine moderne Personalentwicklung bietet:
- Stellenausschreibungen werden grundsätzlich öffentlich gemacht und nicht nur intern ausgeschrieben.
- Sie werden in einer Sprache verfasst, die auch Menschen verstehen, die keine Verwaltungsjuristen sind.
- Sie stellen auf Kompetenzen ab, die für eine erfolgreiche Tätigkeit nötig sind, und nicht auf formale aber häufig nicht wirklich relevante Kriterien.
- Sie werden auf Online-Plattformen veröffentlicht, auf denen auch die interessantesten Jobs der Privatwirtschaft zu finden sind.
- Für besonders knappe Qualifikationen gibt es ein transparentes System von Zulagen.
- Die Charta sollte auch eine Verpflichtung zur Begründung enthalten, wenn für die Besetzung einer Führungsposition Kandidat:innen, die von außen oder mit ungewöhnlichen Profilen jenseits des 2. Juristischen Staatsexamens kommen, von vornherein nicht in Betracht gezogen werden sollen. Eignung, Leistung und Befähigung hängen in erster Linie von der relevanten Berufserfahrung und nachgewiesenen Ergebnissen der letzten zehn Jahre und nicht von einem Studium ab, das ggf. Jahrzehnte zurückliegt.
- Den vorhandenen Beschäftigten müssen Möglichkeiten geboten werden, ihr Wissen auf dem aktuellen Stand zu halten und durch einfache ressortübergreifende Jobwechsel und mehrjährige Hospitationen in der Privatwirtschaft fit für die Zukunft zu bleiben.
- Zugleich müssen solide Strukturen geschaffen werden, um rein politische Besetzung von attraktiven Posten zu verhindern.
Dienstrechtsexpert:innen versichern uns: Für eine moderne Personalentwicklung gibt es keine tatsächlichen rechtlichen Hürden, wohl aber in den Köpfen einer zu traditionellen Personalentwicklung im öffentlichen Sektor. Rechtlich gibt es großen Spielraum für die Stellenbesetzungen mit externen Kandidat:innen; zudem kann das Recht angepasst werden. Diese vorhandenen Möglichkeiten werden aber bisher zu wenig genutzt. Deshalb ist diese Charta im Dialog zu entwickeln und die Politik muss Ministerien und Behörden ermutigen, diese zu unterzeichnen sowie auf ihren Webseiten zu veröffentlichen. Personalentwicklung muss einen hohen Stellenwert auch für Politiker:innen bekommen, die nur auf absehbare Zeit eine Behörde führen. Zugleich sind strukturelle Maßnahmen angezeigt, etwa eine Neubesetzung und andere organisatorische Verankerung von Personalreferaten, um die oben genannten Ziele zu erreichen. Damit bekennt sich Politik auch klar zu den Vorteilen des Querwechselns.
Forderung 5: Hybride Institutionen stärken
In den letzten Jahren wurden einige Verwaltungseinheiten oder staatseigene Unternehmen gegründet, die Methoden und Kompetenzen aus der „Außenwelt“ für den Staat nutzbar machen. Inhouse-Beratungen wie BwConsulting oder PD – Berater der öffentlichen Hand treiben komplexe Veränderungsprozesse voran und stärken die Auftraggeberfähigkeit des Staates. Sie unterliegen dabei nicht den Interessenkonflikten privatwirtschaftlicher Beratungen. Innovationslabore und -agenturen wie der DigitalService arbeiten direkt mit den Fachbehörden zusammen, erstellen Prototypen und innovative IT-Lösungen und stellen dem Staat wertvolle IT-Umsetzungskompetenz zur Seite. Die Föderale IT-Kooperation (FITKO) schafft Strukturen für die Übersetzung und Steuerung des politischen Willens einer föderierten Modernisierung und baut die moderne Auftraggeberfähigkeit aus – staatsvertraglich mandatiert und ausgestattet mit einem Zentral-Bugdet von Bund und Ländern.
Solche hybriden Institutionen an der Nahtstelle von Privatwirtschaft und öffentlichem Sektor und im Querschnitt des Föderalismus sind ideale Reformtreiber für den öffentlichen Sektor, und Türöffner für Querwechsler. Sie sollten weiter gestärkt werden, z.B. indem dort das Programmmanagement für größere Veränderungsvorhaben angesiedelt wird, oder indem sie Rotationsprogramme mit der Kernverwaltung aufbauen.
März 2025
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